Am frühen Samstagmorgen des 02. April 2022 begann für dreizehn Teilnehmer unter der Leitung von Soenke Neubauer und Kristin Schneider eine Bildungsfahrt nach Auschwitz. Ziel war es, uns innerhalb einer vollen Woche mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte auseinander zu setzen und ein tieferes Verständis für das Wissen zu erlangen, das wir schon während der beiden Vorbereitungstreffen als Gruppe erarbeitet haben.
Mit zwei Kleinbussen begaben wir uns auf den Weg
in die polnische Stadt "Oswieceim" - international als "Auschwitz" bekannt - genauer gesagt in die "internationale Jugendbegegnungsstätte", wo wir aufgrund eines ärgerlichen Staus später als geplant
ankamen, doch trotzdem herzlich begrüßt und mit einem reichlichen Abendbrot versorgt wurden.
Wir bezogen unsere Zimmer und nachdem alles Organisatorische besprochen wurde, beendeten wir den Abend mit einer Andacht. Die meisten von uns fielen anschließend erschöpft ins Bett, andere fanden sich noch in Gesprächskreisen ein, doch alle waren wir gespannt und nachdenklich darüber, was uns wohl die nächsten Tage erwartete.
Unser erster voller Tag begann mit einer knapp vierstündigen Führung durch das Stammlager, auch Auschwitz 1 genannt, welches nur eine kurze Autostrecke von unserer Unterkunft entfernt lag. Neben dem Gelände, welches im gesamten durch seine Maschendrahtzäune und Wachtürme sowie ein Krematorium, einen Galgen und eine sogenannte Erschießungswand einen tiefen Eindruck hinterließ, hatten besonders die Ausstellungen innerhalb der bis heute erhaltenen Steinbaracken eine ergreifende Wirkung auf uns, denn sie zeigten unter anderem Videos der inhaftierten Familien vor dem Krieg sowie originale Pritschen, Kleidungsstücke, Schuhe, Haare und die Koffer. Bedächtig lasen wir die vielen Namen, die darauf in großen Buchstaben geschrieben standen.
Im Anschluss an eine kurze Mittagspause nahmen wir an einem Workshop teil, bei dem wir uns zu verschiedenen Oberthemen wie bspw. "Hunger" oder "Solidarität" mit Zeitzeugenberichten beschäftigten.
Sowohl diesen als auch die weiteren Abende ließen wir mit einer Gruppenrunde ausklingen, in der wir gemeinsam reflektierten, Fragen diskutierten und zum Schluss eine Andacht hielten.
Am Montag setzen wir die Führung fort, dieses Mal hieß der Treffpunkt Auschwitz-Birkenau, welches als Vernichtungslager bekannt ist. Damit, wie weit sich das Lager tatsächlich erstreckte, hatten die meisten von uns nicht gerechnet, vor allem verglichen mit Auschwitz 1. Wir liefen nach und nach das gesamte Gelände ab und erfuhren dabei etwas über die Entstehungsgeschichte des Lagers und den Alltag der Häftlinge sowie die Vorgehensweisen und Grausamkeiten der Wachleute. Als erstes besichtigten wir die verbliebenen Holzbaracken, die nicht vom Spuren beseitigenden Feuer am Ende des Krieges vernichtet worden waren. Der Wind pfiff durch alle Ritzen, es schien fast so, als kämen Geräusche aus den hinteren Ecken, was den ein oder anderen etwas nachdenklicher und bedrückter stimmte. Ebenfalls sahen wir die Rampe, an welcher ein einzelner Transportwaggon als Erinnerung an die Vielen steht, in denen sich damals so viele unschuldige Menschen drängten. Im hinteren Teil des Lagers befanden sich Ruinen der zerstörten Krematorien sowie Teiche, deren Boden aus purer Asche besteht. Unsere Guide sagte uns, dieser Ort sei der größte Friedhof der Welt. Dieser Satz blieb uns allen im Gedächtnis.
Zurück in der Begegnungsstätte nahmen wir uns eine Pause, um all die neuen Eindrücke und Informationen erst einmal zu verdauen. Anschließend hörten wir einen Vortrag über die Entstehung der Bildungsstätte, welcher durch eine interessante Stadtfürung durch Oswieceim ergänzt wurde, angeleitet von Marie, einer deutschen Freiwilligen, die schon ein paar Monate in der Bildungsstätte verbrachte.
Nach der abendlichen Runde und Andacht zerstreute sich die Gruppe. Einige von uns suchten ihre Zimmer auf, andere setzten sich zu Geprächen zusammen und wieder andere fanden sich am Kicker oder der Tischtennisplatte wieder, wo über die Woche die ein oder anderen erbitterten Spiele ausgetragen wurden; jeder mit jedem und jeder gegen jeden, die Teams wechselten ständig.
Den Dienstag nutzten wir, um etwas Abstand zum Ort und den vielen Eindrücken zu gewinnen und fuhren daher nach dem Frühstück los nach Krakau. Dort erkundeten wir das über viele Jahre wiederaufgebaute und -belebte Judenviertel und bewegten uns anschließend für ein paar Stunden in Kleingruppen durch die Stadt, da wir alle unterschiedliche Ziele hatten, von Essengehen über Shoppen bis hin zum Kaufen von Souveniers. Zurück in der Bildungsstätte stand der Rest des Tages jedem zur freien Verfügung, da es wichtig war, nach den beiden mit Informationen vollgepackten Tagen gedanklich zur Ruhe zu kommen.
Die nächsten zwei Tage nutzten wir intensiv, um an der Fotoausstellung zu arbeiten, die als Resultat aus der Bildungsreise hervorgehen sollte. Dafür besuchten wir an jedem Tag noch einmal jeweils ein Lager und verteilten uns alleine oder in kleinen Gruppen auf dem Gelände. Jeder versuchte, die Plätze oder Gegenstände, die ihm besonders wichtig erschienen, mit der Linse wirkungsvoll einzufangen und zu präsentieren. Dabei achteten wir besonders aufs Detail und versuchten, das anzuwenden, was wir bei unserem zweiten Vorbereitungstreffen über Kameraführung und -einstellung gelernt haben. Wir beabsichtigen mit dieser Ausstellung, den Zuschauern einen anderen Blickwinkel zu zeigen und eine andere Wahrnehmung dieser Orte zu vermitteln, als man sie bisher vielleicht hatte. Denn es gibt Dinge, die man erst auf den zweiten oder dritten Blick entdeckt.
Die übrige freie Zeit nutzten wir als Gruppe, um die ersten entstandenen Bilder zu begutachten und erstmals auszuwerten. Ebenfalls hatten wir die Möglichkeit, die Bibliothek der Begegnungsstätte zu nutzen, in der jeder Bücher, Berichte oder Akten von Zeitzeugen lesen konnte, die ihn individuell interessierten.
Das Thema dieser Woche war sehr hart und hat uns alle sehr beschäftigt. Viel von dem Wissen, das wir hatten, wurde noch vertieft und wir alle haben einiges dazugelernt. Bei manchen Informationen hat es länger gedauert, sie zu verarbeiten, auch noch weit über die Woche hinaus, denn manches erscheint einem unbegreiflich, zu grausam, um wahr zu sein.
Die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Fahrt so gut funktioniert hat, abgesehen von der Organisation und Planung, war die Gruppe selbst. Schon bei den Vorbereitungstreffen kamen wir uns näher und lernten, wie wir in schwierigen Situationen miteinander umgehen und uns gegenseitig auffangen können, wenn uns das Thema sehr mitnimmt und bedrückt. Innerhalb der Woche sind wir eng zusammengewachsen und trotz der vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten konnte sich jeder einfügen und in der positiven Dynamik der Gruppe Halt finden.
Ein Freizeitbericht von Cai und Feli